„...Unsere Aktion sollte gewaltfrei sein...”

Unsere Aktion sollte gewaltfrei sein

Klasse 11B der Karl-Marx-Oberschule Altenburg im Sommer 1949, Jörn-Ulrich Brödel 1.Reihe, 4.v.l.; Foto: Privatarchiv Brödel

Unsere Aktion sollte gewaltfrei sein

Der Schüler Ludwig Heyne, der Schüler Hans-Joachim Näther, der Lehrer Siegfried Flack, der Lehrer Wolfgang Ostermann

Unsere Aktion sollte gewaltfrei sein

Die Urteile des sowjetischen Geheimdienstes;
Foto: Bernadus Verlag 2004 / Josef Neudecker

1950 - 1953

Erinnerungen von Jörn-Ulrich Brödel

„Statt Braunhemden trug man jetzt Blauhemden... statt des schwarzen Halstuchs nun blaue und rote. Statt mit vorgestrecktem Arm wurde jetzt mit dem Arm über dem Kopf gegrüßt. Die Fanfaren waren dieselben, auch an sie wurden Flaggen gehängt...

...Es war gespenstisch. Der Druck, der FDJ beizutreten, wurde immer stärker, auch in Thüringen. Und dann kam die Berlin-Blockade, bei der die Sowjets alle Zufahrten nach West-Berlin kappten: Sie versuchten, die 2,2-Millionen-Stadt West-Berlin auszuhungern, um sie schließlich ihrem eigenen Machtbereich einzuverleiben. Wir sahen also, zu welcher Brutalität die Sowjets fähig waren. Gleichzeitig trat unsere Klasse - ohne, dass uns jemand fragte - im Frühjahr 1949 geschlossen in die 'Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion' ein, der späteren DSF. Und für die kommenden Wahlen sah man bereits, dass alles im Vorhinein schon feststand. Wir mussten etwas tun - verhindern, dass sich so etwas wie die Nazizeit wiederholt!

Doch unsere Aktionen sollten gewaltfrei sein, darin waren wir uns einig...”

Eine Gruppe von Altenburger Schülern und jungen Lehrern beginnt, heimlich Flugblätter herzustellen, auf einem demonstriert sie die Parallele von „Einst und Jetzt”. Kopf der Dissidenten ist Brödels Mitschüler Hans-Joachim Näther. Und als es dem Schüler Gerhard Schmale gelingt, einen Radiosender nachzubauen, stört die Gruppe im Dezember 1949 die Rundfunk-Ansprache, die Wilhelm Pieck am Vorabend des 70. Geburtstages von Josef Stalin hält.

Ein Vierteljahr später finden sich die Altenburger Schüler und Lehrer in den Zellen des sowjetischen Geheimdienstes in Weimar wieder.
Die Urteile, die dort gefällt werden, sind extrem hart:
Vier der Verhafteten werden zum Tode verurteilt und in Moskau hingerichtet.

Stalinistischer Terror

Anfang der 1950er Jahre verurteilen sowjetische Militärtribunale etwa 1 000 Deutsche zum Tode. Nach Moskau transportiert, werden sie dort erschossen, anschließend eingeäschert und in einem der Massengräber auf dem Moskauer Donskoje-Friedhof verscharrt.

Die Angehörigen der Ermordeten erfahren nichts vom Schicksal ihrer Kinder, ihrer Eltern oder Geschwister - sie wurden abgeholt und bleiben verschollen.

Hintergrundfoto: Landesarchiv Berlin